Trends in der Beratungsbranche: Auswirkungen der Digitalisierung
Die digitale Transformation trägt schon lange nicht mehr nur dazu bei, Berater ihren Kunden nahezubringen, sondern verändert vielmehr auch die Beratungsdienste selbst.
So besteht das wichtigste Kapital professioneller Dienstleistungen beispielsweise aus neuem Talent. Der zunehmende Trend in der Beratungsbranche jedoch, geht mehr und mehr in die Richtung, Talente eher auszulagern und sich stattdessen auf Online-Beratungsplattformen zu konzentrieren. Werden Beratungsunternehmen der Zukunft also keine festen Angestellten mehr haben?
Ein kĂźrzlich erschienener Text mit dem Titel âProfessional Services on the Brink of Disruption" des Softwareunternehmens SAP wirft einige interessante Fragen auf und zeichnet ein Bild davon, wie die Branche in der Zukunft umgestaltet werden sollte. Der Text ist interessant fĂźr jegliche Berater, ob in groĂen Firmen oder als Freelancer arbeitend.
Hauptbereiche, die von der Digitalisierung betroffen sind
Das traditionelle Dienstleistungsmodell fßr Beratung besteht darin, Kunden hoch qualifizierte Fachleute zur Verfßgung zu stellen. Honorare sind zeitabhängig und Gewinne werden aus der Differenz dieser Honorare und den Gehältern und Gemeinkosten erzielt. Auch gibt es eine lineare Korrelation zwischen dem Unternehmenswachstum und der Mitarbeiterzahl.
Der Trend in der Beratungsbranche scheint sich jedoch zu ändern. Honorare werden zunehmend ergebnisorientierter und unabhängige Freiberufler und Beratungsplattformen beginnen damit, erforderliche Kompetenzen, ohne Zunahme der Beschäftigtenzahl, bereitzustellen.
Laut SAP sind die vier Kernfelder, welche von der Digitalisierung im Dienstleistungssektor betroffen sein werden:
- Expertise: Anstelle einer persÜnlichen Kundenbetreuung als primäre Methode werden Berater ihr Wissen und ihre Erfahrungen mehr und mehr digitalisieren und auf Nutzungs- oder Ergebnisbasis zur Verfßgung stellen. Knowledge-as-a-Service wird zum neuen Produkt.
- Talent: Beratungsunternehmen werden Dienstleistungen vermehrt von externen Talent-Netzwerken beziehen und diese, bei der Erstellung von KundenlĂśsungen, integrieren
- AusfĂźhrung der Dienstleistung: Technologien werden Dienste, welche zuvor personalintensiv waren, zunehmend automatisieren und skalieren. Dies wird auch zu neuen LĂśsungen fĂźhren, welche bisher nicht verfĂźgbar waren.
- Kundenbindung: Die Kundenakquise und die Transaktionen mit Kunden wird automatisierter und Ăźber Selbstbedienungsmethoden erfolgen.
Die digitale Transformation fßhrt zu einer Machtverlagerung zugunsten des Kunden. Es werden sich also nicht nur Beratungsmodelle ändern. Auch Geschäftsprozesse mßssen agil sein, auf Bedßrfnisse der Kunden reagieren und dabei auf die Einbettung geistigen Eigentums in den automatisierten Service achten.
Das Kräftegleichgewicht verschiebt sich auĂerdem zugunsten unabhängiger Berater. Etablierte Unternehmen mĂźssen von einer Veränderung des Marktes durch neue Marktteilnehmer, mit neuen Fähigkeiten ausgehen, da digitale Dienstleistungen die EinstiegshĂźrde senken.
Werden Dienstleistungsunternehmen automatisiert werden?
Seit Jahren schon ist Automatisierung und das daraus folgende Ersetzen von Routine-Jobs durch Maschinen, ein groĂes Thema. Nun jedoch verlagert sich der Schwerpunkt auf qualifizierte Arbeitskräfte.
Bereits 2013 prognostizierte McKinsey, dass Algorithmen 140 Millionen Experten verdrängen wĂźrden. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass 94 % der Buchhalter und WirtschaftsprĂźfer, 66 % der Juristen und sogar die Hälfte der Computerprogrammierer ersetzt werden kĂśnnten. Ein weiterer Bereich, der potenziell betroffen werden kĂśnnte, ist der Kundendienst. Es gibt nur wenige Menschen, welche noch nie mit Apples Siri oder einem Online-Kundendienst-Bot gesprochen haben. Auch wird deutlich, dass Maschinen zukĂźnftig die Erstellung von Rechtsdokumenten, Markt- und Aktionärsberichten Ăźbernehmen werden.Im Bereich der Rechtsdienstleistungen vollzieht sich der digitale Wandel rasch. So wird beispielsweise die Erstellung von Dokumenten und Arbeitsabläufen mehr und mehr automatisiert. Ein Ziel besteht daraus, Vorlagen fĂźr Verträge und Vereinbarungen fĂźr Kunden leichter verfĂźgbar zu machen. KĂźnstliche Intelligenz ist auĂerdem in der Lage, sich wiederholende Aufgaben in groĂem Umfang zu Ăźbernehmen. Eine US-amerikanische Anwaltskanzlei berichtet beispielsweise, wie ihr autonomer Anwalts-Roboter mehr als 250.000 Strafzettel anfocht und 64 % davon gewann. Aufgrund dieser Veränderungen, sollten Anwälte sich Gedanken darĂźber machen, wie Sie in der Zukunft Wert kreieren mĂśchten und wie automatisiertes Material monetarisiert werden kann.
In der Unternehmensberatungsbranche sind vor allem Arbeitsplätze auf der Einstiegsebene gefährdet. Das alte Geschäftsmodell, in welchem Seniorpartner Geschäfte aushandeln und mit Fßhrungskräften kommunizieren, während Juniorpartner die Arbeit ausfßhren, ist vorbei. In der Regel implementieren Juniorpartner die, vom Unternehmen entwickelten LÜsungen und lernen das Geschäft auf Kosten der Kunden kennen. Heutzutage kann alles kodifizierbare, automatisiert und den Kunden als Alternative zu persÜnlichen Gesprächen angeboten werden.
Eine groĂe Gefahr fĂźr Beratungsunternehmen besteht in der freien VerfĂźgbarkeit von Fachwissen im Internet. Beratungsunternehmen begegnen dieser Gefahr mithilfe von Software- und Technologie basierten Analysen und Werkzeugen, welche die Kunden auf Selbstbedienungsbasis nutzen kĂśnnen. Um langfristige Kundenbeziehungen aufrechtzuerhalten, werden diese oft in die kundeneigenen Systeme eingebettet (ähnlich wie die Geschäftsmodelle von Microsoft und Apple). Diese Art der digitalen Bereitstellung ist kostengĂźnstiger und skalierbarer als herkĂśmmliche Ansätze.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieser Trend in der Beratungsbranche persĂśnliche Beratung ĂźberflĂźssig machen wird. Im Gegenteil, die Nachfrage an strategischen und wertebasierten LĂśsungen wird trotzdem weiter steigen. Allerdings wird es sich dabei um maĂgeschneiderte LĂśsungen fĂźr komplexe Probleme handeln, welche die Berater rechtfertigen und durchsetzen werden mĂźssen.
Die Digitalisierung von Talenten
LinkedIn ist ein hervorragendes Beispiel dafĂźr, wie Talentfindung digitalisiert wird.
Es handelt sich dabei um ein professionelles Netzwerk mit fast 750 Millionen Mitgliedern und ßber 55 Millionen registrierten Unternehmen, in mehr als 200 Ländern. Die Plattform ist aus der Personalbeschaffung nicht mehr wegzudenken und alleine in den USA hat sich, im Jahr 2020, die Zahl der Stellenausschreibungen versechsfacht.
Eine interessante Statistik besagt, dass LinkedIn bei der Generierung von Leads fast 300 % effektiver als Facebook oder Twitter ist. Laut dem Edelman Trust Barometer ist LinkedIn die vertrauenswßrdigste Quelle bezogen auf Inhalte. Es wird daher von Content-Vermarktern häufig fßr B2B-Marketing und Lead-Generierung genutzt.
Mit der Zeit wurde LinkedIn auĂerdem um einige neuen Technologien erweitert. Ein Beispiel ist der Kalender-Chatbot, welcher Unterhaltungen zwischen Mitgliedern in verschiedenen Zeitzonen erleichtert. Des Weiteren bieten KI intelligente Antworten und Antwortvorschläge und eine InMail-Funktion unterstĂźtzt Chats. Hashtags in Kommentaren werden fĂźr eine einfache Nachverfolgung indiziert und LinkedIn Video unterstĂźtzt die wachsende Popularität der Präsentation von Geschäftsinformationen im Videoformat.
Auch Upwork änderte vor kurzem seinen Namen und aktualisierte seine Dienste, mit dem Ziel, seine Rolle als Marktplatz fßr Arbeit noch besser zu reflektieren. Dies kann als Reaktion auf die sich stetig wandelnden Bedßrfnisse der Unternehmen und insbesondere auf den zunehmenden Einsatz von Freiberuflern, verstanden werden. Es zeigt die MÜglichkeiten und Fßlle an Arbeit auf, welche denjenigen zur Verfßgung stehen, die zeitliche und räumliche Flexibilität anstelle von starren Arbeitsverträgen wßnschen. Upwork hat derzeit einen Kundenstamm, der 30 % aller Fortune-500-Unternehmen umfasst, welche zunehmend externe Ressourcen in ihre Einstellungs-Pläne miteinbeziehen.
Einige Plattformen sind stärker spezialisiert. Consultport beispielsweise, bietet vorab geprßfte Unternehmensberater und Digital-Experten, zusammen mit einer Kombination aus automatisierten und personengesteuerten Verwaltungs-, Qualitätsmanagement- und Zahlungsdiensten.
Es ist klar erkennbar, wie Rekrutierungsstrategien sich mehr und mehr ändern und Online-Beratungsplattformen zunehmend zur Haupt-Talentquelle werden. Man kann sie als wesentlichen Bestandteil der digitalen Transformation im Dienstleistungsbereich bezeichnen.
Welche Ănderungen mĂźssen unabhängige Berater vornehmen?
Oft liest man Ăźber Trends in der Beratungsbranche, ohne sich dabei die Bedeutung fĂźr das eigene Unternehmen deutlich zu machen, egal ob es sich um Ein-Personen-Start-ups oder etablierte Unternehmen, mit zahlreichen Mitarbeitern, handelt.
Die oben bereits zitierte SAP-Liste enthält einige wichtige Punkte. Berater sollten sich mit den folgenden Fragen auseinandersetzen:
- Digitalisierung von Fachwissen: Wodurch unterscheidet sich unser Dienstleistungsangebot von anderen auf dem Markt? Gibt es Aspekte, die digitalisiert werden und den Kunden dann als Selbstbedienungs-Modell angeboten werden kĂśnnten? Wo ist die persĂśnliche Interaktion besonders wertvoll und wie kĂśnnen wir dies angemessen vermarkten?
- Digitalisierung von Talenten: Wie gut haben wir unsere Profile auf den, uns zur Verfßgung stehenden Online-Beratungsplattformen, eingerichtet? Berßcksichtigen wir MÜglichkeiten, wie unsere Fähigkeiten und unser Fachwissen in anderen Bereichen ergänzend wirken kÜnnen, sodass Kunden und Personalvermittlern ein umfassenderer Service geboten werden kann? Sind wir ausreichend vernetzt?
- Digitalisierung der Leistungserbringung: Wie kĂśnnen wir mit weniger Aufwand mehr erreichen? KĂśnnen wir zum Beispiel Datenanalyse-Tools einsetzen, um unsere Unternehmensbewertungen zu beschleunigen und mehr Zeit fĂźr die Analyse des Mehrwerts zu verwenden? Nehmen wir als Beispiel mein eigenes Beratungsunternehmen: Hier wurde eine Menge Zeit und Geld investiert, um die Ergebnisse psychometrischer Beurteilungen zu automatisieren und in standardisierte Berichte zu integrieren. Das Ergebnis war erfreulich, da Ergebnisse sofort genutzt werden konnten, um Kunden strategische Auswahl- und Entwicklungsempfehlungen zu geben. AuĂerdem konnten somit Projekte mit Hunderten von Teilnehmern Ăźbernommen werden, ohne durch manuelle Auswertung und Berichterstellung eingeschränkt zu sein.
- Digitalisierung der Kundenansprache: Kunden informieren sich online Ăźber Produkte und Dienstleistungen, bevor sie Kaufentscheidungen treffen oder Angebote fĂźr ihre Projekte einholen. Wie effektiv ist also unsere Online-Präsenz? Dazu gehĂśrt die Bereitstellung von Publikationen, Blogs und Videos, welche Vordenkerrolle und GroĂzĂźgigkeit beim Wissensaustausch demonstrieren. Sie kĂśnnen komplexere Systeme in Betracht ziehen, um zu verfolgen, was die Kunden lesen, um die Reihenfolge der Zugriffe zu steuern und personalisierte Inhalte zu präsentieren.
Nehmen wir an, dass Arbeit, welche traditionell Juniorberater leisten, zunehmend Teil einer digitalisierten Dienstleistung sein wird. Wie sieht dann der Weg fĂźr junge Hochschulabsolventen und ältere Menschen aus, welche in die Freiberuflichkeit einsteigen mĂśchten? Unseres Erachtens wird sich in diesem Punkt nicht sehr viel ändern. GroĂe Unternehmen sollten nach wie vor ihre Fachkräftebasis ausbauen und einen Langzeitplan fĂźhren. Sie werden dann lediglich nicht mehr so viele Festanstellungen tätigen mĂźssen. Stattdessen werden sie online nach den besten Kandidaten fĂźr die verschiedenen Projekte suchen und immer wieder auf diejenigen zurĂźckgreifen, welche ihre Methoden gelernt und gute Leistungen erbracht haben. Es ist wahrscheinlich, dass sich eine neue Art der Fernbetreuung entwickeln wird.
Hochschulabsolventen und neue Berater werden weiterhin lernen und erfolgreich sein, vorausgesetzt, sie nutzen Ressourcen wie Online-Beratungsplattformen und suchen nach MĂśglichkeiten, mit anderen an groĂen Projekten zusammenzuarbeiten. Networking wird zu einer noch wesentlicheren Fähigkeit werden.
Die digitale Transformation Ăśffnet die Welt fĂźr Berater
Einer der aufregendsten Aspekte des Trends, Talente outzusourcen, ist die Chance, die sich daraus fĂźr alle ergibt.
Die Digitalisierungstransformation etablierter Beratungsunternehmen wird neue Technologien in die Systeme von Kunden einbetten und diese, weit ßber das bisher MÜgliche hinaus, einbinden. Online-Beratungsplattformen sind selbst Teil des Digitalisierungsprozesses und Üffnen die Welt fßr unabhängige Berater.
Jeder wird sein Wertangebot Ăźberdenken und sich neu orientieren mĂźssen, um sein Fachwissen zu digitalisieren und zu vermarkten. Dies jedoch erĂśffnet auch jedem eine verbesserte Chance auf Erfolg!